Schlüsselsatz

„Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es mir immerhin, das gemeinsame Chorgebet allmählich positiv anzunehmen. Es war mir sogar wichtig geworden. Und ausgerechnet dieses Chorgebet sollte mich bald in arge Gewissensnöte bringen. Nach etwa einem Jahr Noviziat, das als eine Art Einführung in das klösterliche Leben gedacht ist, machte ich mich mit zwei weiteren Novizen un unserem Novizenmeister auf den Weg, um eine Wallfahrt nach Maria Langegg zu unternehmen.  Maria Langegg liegt etwa 15 Kilometer von unserem Kloster entfernt. Wir konnten die kurze Reise im Auto unseres Abtes unternehmen und hatten sogar einen Chauffeur, der uns dorthin kutschierte… .  Auf dem Heimweg hielt uns ein Passant an.  Am
Straßenrand saß eine Frau, der man eindeutig ansah, dass ihr nicht gut war. Wir wurden freundlich gebeten, sie zu einem Arzt zu bringen. Und als wir drei Novizen uns daran machten, auszusteigen, um der Frau zu helfen, erklärte uns der Novizenmeister, dass wir dazu keine Zeit hätten, weil um 18 Uhr unser gemeinsames Chorgebet beginne und wir nicht daran teilnehmen könnten, wenn wir uns nun um die Frau kümmerten. (…) Als mein Zorn nach dem Vorfall ein wenig verfolgen war, ging ich noch am selben Abend zu meinem Novizenmeister und redete mir meinen Umnut von der Seele. Schnell bemerkte ich, dass sich mein Vorgesetzter der Tragweite der Situation gar nicht bewußtg war. „Der war halt ein wenig schlecht“, war alles, was er zu mir sagte. (…) Trotz allem ging ich meinen Weg weiter. Ich wollte nicht so schnell aufgeben. (…) Dann – einige Monate vor meiner endgültigen Entscheidung – hatten wir Exerzitien, eine Art Einkehr und das Überdenken des eigenen Weges. Einmal mehr erzählte ich meinem Exerzitienleiter von meinen Problemen unde vor allem von dem Erlebnis mit der Frau am Straßenrand. Er hörte mir aufmerksam zu, blickte mich an uns sagte dann zwei kurze Sätze, die mein Leben bis heute seine Richtung geben: „Warum regen Sie sich über diesen alten Mann auf? Machen Sie es doch anders!“ Dieser Satz war ein Erweckungserlebnis. Der Groschen war gefallen. “ Burkhard Ellegast, bis 2001 Abt des Stiftes Melk in seinem Buch „Der Weg des Raben“ S.13 f. Ich habe das Kloster Melk in Niederösterreich vor wenigen Tagen besucht und bin auf diese Textstelle gestossen.

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