Hingabe, Aufgabe und der Andere
„Unlängst tauchte bei einer Unterhaltung über dieses Thema (Was bedeutet das Wort Aufgabe?) die Frage auf, ob man nicht schöner „Hingabe“ sage. Ich fuhr lebhaft auf und erklärte, daß das gerade nichts mit dem Gemeinten zu tun habe. Das Wort „Hingabe“ entstammt dem Reservat eines eitlen Selbstgenusses, bei dem man eben doch feststellt, wie schön man es macht, wie wunderbar man sich hingegeben hat, und so weiter. Und gerade das ist hier nicht „gefragt“. H i n g a b e ist ein Wort, das die seelische Eitelkeit des Abendlandes erfunden hat. A u f g a b e ist das nüchterne und strenge Wort des Geistes! Dabei ist kein Gedanke daran möglich, ob ich etwas gewinne, ob ich verliere, ob etwas aus mir wird, ob nichts aus mir wird; alles das ist ganz gleichgültig. Ich habe keine Möglichkeiten, daran zu denken, denn in meinen Gedanken und in der Gerichtetheit meiner Empfindungswelt ist nur das andere, das auf mich zukommt.
Nun verstehe ich, was das A n d e r e ist. Wenn das Andere für mich nicht das Ä n d e r n d e wird, hat die Begegnung keinen Wert! Wenn das Du, das mir begegnet, nicht mein Ich verschlingt und auslöscht, ist die Begegnung n i c h t i g verlaufen, und es erwächst ihr keinen Wert.“
Hermann Weidelener, Wege zum Dasein, 1957, S. 21